Voice it!

Für eine Kultur der Würde, des Respekts und der Gerechtigkeit

Initiative gegen Machtmissbrauch und sexuelle Gewalt im Klassikbetrieb

#voiceit (Voice it!) ist eine Initiative von Elisabeth Kulman gemeinsam mit Betroffenen der Causa Gustav Kuhn bei den Tiroler Festspielen Erl, die sich gegen Machtmissbrauch und sexuelle Gewalt innerhalb des Opern- und Klassikbetriebs wendet und für eine Kultur der Würde, des Respekts und der Gerechtigkeit eintritt.

Unsere Geschichte

Ersten Anstoß für die Initiative gaben die Veröffentlichungen des Tiroler Internet-Publizisten Markus Wilhelm über die „unfassbaren Zustände bei den Tiroler Festspielen in Erl“ im Februar 2018.

Der Journalistin des Nachrichtenmagazins profil Edith Meinhart gelang es, mit ihren Recherchen erste Kontakte zu betroffenen KünstlerInnen zu knüpfen.

Es folgte ein Video-Aufruf der Sängerin Elisabeth Kulman, sich als ZeugInnen zu melden: „Zuschauen und Schweigen ist out.“

In einem viel beachteten Offenen Brief, der international Wellen schlug, schrieben fünf Ex-Erler Künstlerinnen an den Präsidenten der dortigen Festspiele:

Die Medien, nicht nur in Österreich, berichteten ausführlich über den mutigen Schritt der betroffenen Frauen.

In der Hauptnachrichtensendung des ORF sprachen die Sängerinnen Mona Somm und Julia Oesch über ihre Erfahrungen und Erlebnisse in Erl.

Eine der Folgen war, dass Gustav Kuhn seine Funktion als künstlerischer Leiter der Festspiele ruhend stellte, eine andere, dass sich weitere betroffene Frauen meldeten und zu unserer mutigen Initiativgruppe hinzugesellten.

Wenig später traten auch Männer, die als Künstler oder Mitarbeiter in Erl tätig waren, mit einer Solidaritätserklärung an die Öffentlichkeit:

Als Beispiel für die vielfältige und anhaltende nationale wie internationale Berichterstattung (vom Provinzblatt bis zur New York Times) über die „Causa Kuhn“ sei hier die ausführliche Hintergrundstory im Nachrichtenmagazin profil vom 20.9.2018 mit Statements einiger der ProtagonistInnen empfohlen.

Anlässlich eines Treffens einiger AktivistInnen aus Österreich, Deutschland und der Schweiz Anfang 2019 in München ist auch ein Video entstanden, in dem vier ehemalige Sängerinnen bei den Tiroler Festspielen in Erl erzählen, wie sie es geschafft haben, ihr Schweigen über die dortigen Zustände zu brechen, und Kolleginnen, die es ihnen gleichtun wollen, ihre Hilfe anbieten.

Statement Julia Oesch zum Vergleich mit Gustav Kuhn

Ich bin heute nach Innsbruck gekommen, weil mich der ehemalige Leiter der Tiroler Festspiele wegen Rufschädigung verklagt hat. Das hindert mich aber nicht daran, weiter Stellung zu beziehen und meinen Beitrag zu leisten, um die Arbeitsbedingungen für Musiker und Musikerinnen zu verbessern.

Machtmissbrauch, Übergriffe und Machismus dürfen unseren Arbeitsalltag nicht mehr bestimmen. Es hat eine Zeitenwende stattgefunden, aber es braucht noch viele mutige Frauen und Männer, die sich nicht verstecken, sondern aufstehen und für Fairness kämpfen.
Ich selbst erlebe große Unterstützung, viel Rückhalt und Solidarität. Das Netzwerk der Mutigen wird immer größer, sodass ein faires und angstfreies Arbeitsumfeld geschaffen werden kann. Für uns und unserer Kinder. Dafür werde ich mich weiterhin einsetzen.

Julia Oesch, Innsbruck, 28. Mai 2019

Kuhn verklagt Sängerin

Julia Oesch ist Mitverfasserin des Offenen Briefes der fünf Ex-Erler Künstlerinnen vom 25. Juli 2018. Wenige Tage später hat sie auf Anfrage des ORF in der ZIB 2 davon erzählt, was sie bei den Tiroler Festspielen erlebt hat. In der Folge ist sie von Gustav Kuhn zivilrechtlich verklagt worden, und zwar auf Unterlassung ihrer Aussagen in diesem Interview und auf Veröffentlichung eines Widerrufs in zwei großen österreichischen Tageszeitungen.

Über die Verhandlung am 28. Mai 2019 in Innsbruck zwischen Gustav Kuhn und Julia Oesch berichtet Edith Meinhart im profil.

Kommission bestätigt sexuelle Übergriffe

Europaweit erstmalig bestätigt eine unabhängige Fachkommission sexuell übergriffiges Verhalten im Kulturbereich.

Im November 2019 hat die Gleichbehandlungskommission im Bundeskanzleramt in Wien in allen fünf geprüften Fällen sexuelle Übergriffe von Gustav Kuhn gegenüber Künstlerinnen der Tiroler Festspiele Erl festgestellt.

Die abschließenden Gutachten liegen nun vor. Die Frauen, denen von der Kommission höchste Glaubwürdigkeit attestiert wird, richten daher einen weiteren Offenen Brief an die Verantwortlichen der Festspiele Erl.

Einstellung der Ermittlungen

Auch wenn die Einstellung ausdrücklich nur wegen Verjährung der vorgeworfenen Taten erfolgt ist, ist nicht zu akzeptieren, dass eine Reihe von uns genannter ZeugInnen und weiterer Opfer von der Staatsanwaltschaft nicht einmal einvernommen wurde.

“Kuhn unglaubwürdig”

Dass es zu keinem Strafverfahren gegen Gustav Kuhn kommt, ist umso bedauerlicher, als erst im November 2019 die im Bundeskanzleramt angesiedelte Gleichbehandlungskommission in allen fünf von ihr geprüften Fällen sexuelle Übergriffe zweifelsfrei festgestellt hat. Umgekehrt hielt die Kommission „Herrn Kuhn für unglaubwürdig, was seine Stellungnahmen und Argumente hinsichtlich der ihm vorgeworfenen Belästigungen betrifft“.

Neue Beweismittel

Die nun erfolgte Einstellung wegen Verjährung (der jüngste schwerwiegende Übergriff liegt drei Monate außerhalb der Verjährungsfrist) bedeutet alles andere als eine Rehabilitierung für Gustav Kuhn. In einem von ihm angestrengten Zivilverfahren werden demnächst bisher der Öffentlichkeit nicht bekannte Beweismittel angeboten werden.

Wir werden uns auch in Zukunft wehren gegen übergriffiges Verhalten und Machtmissbrauch und uns für eine Kultur der Würde, des Respekts und der Gerechtigkeit einsetzen.

Wien, 13. März 2020

„Wir wissen von Frauen, die aus teilweise bekannten und nachvollziehbaren Gründen letztlich nicht ausgesagt haben.“

Bettine Kampp – Sopranistin – Deutschland

„Wir werden weiterhin darum kämpfen, dass Machtmissbrauch und übergriffiges Verhalten keinen Platz haben im kulturellen Leben.“

Mona Somm – Sopranistin – Schweiz

„Die Einstellung wird mit Verjährung begründet und sagt nichts über die tatsächlichen Vorkommnisse aus.“

Manuela Dumfart – Sopranistin – Österreich

„Wir wollen, dass Stillschweigen keine Option mehr ist, und stehen weiterhin auf der Seite der Frauen, die bisher geschwiegen haben, weil sie Angst um ihre Karriere haben.“

Julia Oesch – Mezzosopranistin – Deutschland

Ausführliche Stellungnahmen von Rechtsanwältin Mag.a Petra Smutny und vier Opferzeuginnen

Mag.a Petra Smutny – Rechtsanwältin – Wien

„Derzeit liegt noch keine detaillierte Einstellungsbegründung vor, die nun erst angefordert wird, um die Möglichkeit von Fortführungsanträgen prüfen zu können. Mir ist aber sehr wichtig zu betonen, dass sich die Staatsanwaltschaft bei ihrer Entscheidung aus den bisherigen Informationen ausschließlich darauf stützt, dass – ungeachtet des Umstands, dass eine sexuelle Belästigung nach dem Gleichbehandlungsrecht vorgelegen ist – noch keine gerichtliche Strafbarkeit gegeben, zum Tatzeitpunkt sexuelle Belästigung, wie wir sie heute im Strafgesetzbuch vorfinden, noch nicht strafbar gewesen sei, bzw. dass die vorgeworfenen Handlungen verjährt seien. Selbst wenn diese Argumente der Staatsanwaltschaft zutreffen sollten, wäre damit weder das Gutachten der Gleichbehandlungskommission noch die Glaubwürdigkeit der Frauen relativiert.”

Julia Oesch – Mezzosopranistin – Deutschland

“Die Einstellung des Verfahrens bedeutet einen unzeitgemäßen Rückschritt. In den letzten Monaten hat weltweit eine Bewusstseinsveränderung stattgefunden. Jahrzehntelanger Machtmissbrauch und Übergriffe gehören vielerorts der Vergangenheit an.
Die Einstellung des Verfahrens bedeutet nicht, dass wir Frauen uns zurückziehen. Im starken Zusammenschluss werden wir uns weiterhin Gehör verschaffen und Unrecht zur Sprache bringen. Jede einzelne Geschichte muss gehört und ernst genommen werden. Wir stehen auf der Seite der Frauen, die bisher geschwiegen haben, weil sie Angst um ihre Karriere haben.
Wir möchten den vielen, ungesagten Geschichten ein Gesicht geben. Wir wollen Sprachrohr und Anlaufstelle sein. Wir wollen, dass sexuelle Übergriffe, Machtmissbrauch und strukturelle Gewalt keinen Platz mehr haben. Wir wollen, dass Stillschweigen keine Option mehr ist. Wir wollen eine starke Vernetzung der Mutigen. Wir wollen direkte Hilfe und unmittelbare Unterstützung anbieten. Wir wollen, dass schon in den Schulen und Hochschulen eine Sensibilisierung stattfindet und setzen uns persönlich dafür ein. Wir wollen, dass es Schutzräume und unabhängige Ansprechpartner in Kultureinrichtungen gibt.”

Mona Somm – Sopranistin – Schweiz

„Nach meinem eigens gewählten Rückzug von den Tiroler Festspielen Erl 2017 war es der richtige Weg, gemeinsam mit meinen Kolleginnen auf Missstände ebendort hinzuweisen. Im Wissen um Vorfälle war meine solidarische Haltung und mein Bekenntnis, mit meinem Namen an die Öffentlichkeit zu gehen, kein einfacher Schritt, aber eine Notwendigkeit. Es bedarf Zivilcourage und Mut.
Meiner Ansicht nach hätte die Staatsanwaltschaft zur Causa Kuhn noch weitere Zeug*innen zu befragen gehabt. Warum das nicht erfolgt ist, kann ich nicht nachvollziehen und bedaure es sehr. Schwierige Erlebnisse für sich zu behalten, ist nie ein Zeichen von Schwäche, sondern zeigt vor allem, dass man als Opfer in Angst und Bedrängnis gerät. Aus Scham und weil ein Outing Konsequenzen nach sich zieht. Erzählungen zeigen: Zeit heilt die Wunden nicht. Unsere Gesellschaft muss darum ein waches Interesse haben, dass sich Bedingungen ändern – zum Schutze aller.
Ich werde darum weiterhin kämpfen, dass Machtmissbrauch und übergriffiges Verhalten keinen Platz haben im kulturellen Leben und im Alltag von uns Arbeitnehmer*innen.“

Manuela Dumfart – Sopranistin – Österreich

„Das mir in Erl Widerfahrene auszusagen, war mein persönlicher Beitrag zur Wahrheitsfindung. Die Einstellung eines strafrechtlichen Verfahrens ist in diesem Fall mit Verjährung begründet und sagt nichts über die tatsächlichen Vorkommnisse aus. Dass aber andere Mechanismen weltweit dazu beitragen, Machtmissbrauch aufzuzeigen und durch gesellschaftliche Inakzeptanz zu ahnden, ist ein Hoffnungsschimmer für die Zukunft. Daher auch unsere Aussagen bei der Gleichbehandlungskommssion, die uns in allen Fällen Recht gegeben hat. So hoffe ich, dass zukünftige Generationen, unsere Töchter und Söhne geschützter sein werden, und dass Umgang mit Macht in allen Bereichen des Lebens, besonders aber auch im Kulturleben, einer effektiven Kontrolle durch die Gesellschaft zu unser aller Wohl unterworfen ist.“

Bettine Kampp – Sopranistin – Deutschland

„Eine Verfahrenseinstellung ist ein momentanes Ergebnis, ändert aber nichts an den vorgebrachten Punkten. Wir Beteiligten wissen von Personen, die aus teilweise bekannten und nachvollziehbaren Gründen letztlich nicht ausgesagt haben.
Dass wir gehört wurden und ein Umdenken erreicht haben, bestärkt mich. Es beginnt ein Umdenken. Es kann jeder das Problembewusstsein im eigenen Umfeld schärfen und respektvoll damit umgehen.
Ich wünsche mir, dass die Gleichbehandlungskommission Stellung nimmt und die Bedeutung ihrer Wahrnehmung im Außen einordnet. Ihre Arbeit ist ernst zu nehmen. Der Begriff ‚Verjährung‘ bedarf einer neuen zeitlichen Einordnung.
Es geht nicht darum, sich zu engagieren, um jemandem zu schaden, sondern um unangemessene Situationen zu beseitigen und das Bewusstsein zu schärfen. Dass man vor Gericht Beweise bringen muss, ist klar und richtig, aber die breite Grauzone ist kein rechtsfreier Raum und duldet keine Täter-Opfer-Umkehr.“

Pressespiegel

Links zu Artikeln, Interviews sowie Radio- und TV-Sendungen mit oder über uns

2023

Rückblick Causa Kuhn – Chronologie aller Ereignisse, zusammengefasst von Edith Meinhart (profil) – 21. Januar 2023

2021

3 Jahre #MeToo in der Hochkultur – Erl und die Folgen – Mona Somm im Gespräch mit Elisabeth Kulman – What’s Opera Doc – 22. Februar 2021

2020

Mona Somm als „Whistleblowerin/Elektra“ und im „Nachgespräch“ des Theater Neumarkt in Zürich – 27. November 2020

Opferzeuginnen zu Einstellung der Ermittlungen – OTS – 13. März 2020

#MeToo nach Weinstein-Urteil: „Schweigen ist einfach“ – Bettine Kampp und Julia Oesch – Kurier, Valerie Krb – 28. Februar 2020

2019

Julia Oesch und Anwältin Mag. Petra Smutny im „profil“-Podcast mit Edith Meinhart – „Es ist wichtig aufzustehen“ – 15. November 2019

Offener Brief an den Stiftungsrat der Tiroler Festspiele Erl – OTS – 15. November 2019

Mona Somm zu Gast beim Schweizer Radiosender SRF 2 – #MeToo in der Klassikwelt: von Starkult und Machtmissbrauch – 29. Oktober 2019

Männliche #MeToo-Solidarität: Martin Snell – What’s Opera Doc – 20. Oktober 2019

Sängerin Kulman über Domingo und Kuhn: „Es ist ein Machtproblem“ – Der Standard, Stefan Weiss – 25. August 2019

Betroffene Künstlerinnen: „Wir sind endlich rehabilitiert“ – RAI Südtirol – 13. Juli 2019

Causa Kuhn: Rendezvous in Saal 215 – profil, Edith Meinhart – 29. Mai 2019

Fall Kuhn bei der Gleichbehandlungskommission – OTS – 2. April 2019

Der Ritt der Walküren – profil, Edith Meinhart – 4. Februar 2019

Causa Kuhn: Der Aufstand der Frauen – What’s Opera Doc – 21. Januar 2019

2018

Missbrauchsvorwürfe bei den Tiroler Festspielen – Harfenduo – 12. Oktober 2018

Umfassende Anschuldigungen gegen Erl-Intendant Kuhn – profil, Edith Meinhart – 29. September 2018

Demütigungen, Küsse auf den Mund, Klapse auf den Po: St. Galler Sopranistin sagt vor Staatsanwaltschaft gegen Dirigent aus – Tagblatt, Julia Nehmiz – 26. August 2018

„Ich schweige nicht“ – Star-Sopran Mona Somm von Erl über Gustav Kuhn – What’s Opera Doc – 1. August 2018

Auch Lichtenberger Sängerin wirft Kuhn sexuelle Übergriffe vor – Oberösterreichische Nachrichten, Peter Grubmüller – 1. August 2018

MeToo-Vorwürfe bei Tiroler Festspielen – Mona Somm und Julia Oesch auf Radio ARD Wien – 31. Juli 2018

Mona Somm und Julia Oesch in der ZIB 2 – ORF, Christine Baumgartner – 30. Juli 2018

Offener Brief an den Präsidenten der Tiroler Festspiele Erl – OTS – 25. Juli 2018

Sag aus! Gegen Machtmissbrauch und sexuelle Übergriffe! Jetzt! – What’s Opera Doc – 24. Mai 2018

Die unfassbaren Zustände bei den Tiroler Festspielen in Erl – dietiwag.org, Markus Wilhelm – 13. Februar 2018

2013

Kulman gegen Kuhn bei Holender – ServusTV, Talk im Hangar – 8. August 2013